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Die Restauration der "Unanständigen"

Autorenbild: Needful FriendsNeedful Friends

Aktualisiert: 14. März 2023


Schon Goethe wusste, Sammler sind glücklichere Menschen und geschichtlich betrachtet sind wir irgendwie alle Jäger und Sammler. Wir sammeln die unterschiedlichsten Dinge und freuen uns über jedes besondere Stück, das unsere Sammlung bereichert. In der Bärenmanufaktur werden zum Beispiel fleissig antike Nähmaschinen gesammelt. Die Sammlung ist schon recht sehenswert, stehen doch in der Manufaktur schon einige ganz besondere Maschinen unterschiedlichster Nationalitäten. Eine gewissermaßen Exotin ist nun hinzugekommen. Sie ist von seltener Herkunft und aus Frankreich. Um euch zu erklären, was es nun mit dieser Nähmaschine besonderes auf sich hat, muss ich ein klein wenig ausholen.


Es gab einige bekannte Autohersteller, die zunächst gar keine Autos gebaut haben, stattdessen begann ihre Karriere mit dem Bau von Fahrrädern und Maschinen und ganz besonders Nähmaschinen.


Die Firma Peugeot hatte ihr Werk in Audincourt und baute tatsächlich Nähmaschinen lange bevor sie in die Autoindustrie wechselte. Was Design und Ästhetik betrifft, war Frankreich uns sowieso voraus und so kam es, dass Peugeot 1870 die erste Nähmaschine zum Patent anmeldete, die auf der Weltausstellung in Paris mit der Goldmedaille ausgezeichnet wurde. Allerdings wies diese Maschine eine Besonderheit auf, die später zu einem großen Problem führen sollte und genau so eine Nähmaschine mit dem anrüchigen Namen die "Unanständige" steht nun in der Bärenmanufaktur. Nun fragt ihr euch sicher, wie kann denn eine Nähmaschine unanständig sein?


Die Besonderheit dieser Nähmaschine liegt in der Pedalmechanik, denn die Firma Peugeot setzte nicht auf das üblicherweise gebaute Kipp-Trittsystem. Vielmehr hatte die Maschine zwei separate Schwingpendel-Pedale, wie wir sie aus dem Fitnessstudio kennen. Seinerzeit trugen die Damen sehr enge Röcke und damit die Pedale bedient werden konnten, musste der Rock etwas hochgezogen werden, was die Sicht auf die Knöchel freigab. Knöchel zu zeigen war seinerzeit extrem anstössig und die Nähmaschine wurde letztendlich zu so einem großen Skandal, dass sie nach kurzer Zeit verboten wurde und fortan die "Unanständige" genannt wurde.


Ihr könnt euch vorstellen, dass nur sehr wenige dieser Exemplare verkauft wurden und noch weniger davon sind heute noch vorhanden. Somit war es ein ganz großer Glücksfall, dass ich die Nähmaschine kaufen durfte und das noch zu einem wirklich sehr moderaten Preis. Mein großer Dank gilt den Vorbesitzern, für die der weitere Verbleib dieser Nähmaschine wichtiger war als Geld. Wir alle in der Bärenmanufaktur sind sehr glücklich über diesen besonderen Neuzugang. Die "Unanständige" hatte schon ein paar Baustellen, denen wir uns nun angenommen haben. Die Maschine wurde vom Nähtisch abmontiert und zunächst wurde die Tischplatte abgeschliffen. Es waren ein paar kleine Risse und Unebenheiten, die ausgeglichen wurden, danach wurde das alte Holz mit einem Holzöl eingerieben. Nach dem trocknen wurde die Holzplatte noch einmal abgeschliffen und gebeizt und versiegelt. Die schwarze Tischkante hatte schon sehr viel Farbe gelassen und wurde neu lackiert. Sowohl die Maschine als auch das Gusseisengestell habe ich gründlich gereinigt und geölt. Danach wurde die Nähmaschine wieder auf das Gestell montiert und nun steht sie unten in unserem kleinen Nähmaschinenmuseum. Nicht nur ich freue mich über dieses seltene Modell, auch Habibi hat es sich nicht nehmen lassen, die anrüchige Maschine genauer zu betrachten. Nähen kann sie zur Zeit nicht, aber das kann ja noch werden.














159 Ansichten1 Kommentar

1 Comment


Ulrike K.
Ulrike K.
Mar 14, 2023

Liebe Frau Fohmann, Ihrer Aufmerksamkeit und Ihrem Geschick ist es zu verdanken, dass diese Nähmaschine eine Bereicherung geworden ist für Sie und für alle Interessierten. Was kann einer alten Maschine besseres widerfahren! Die wunderbare Fügung, dass sie in Ihre Hände gelangt ist, hat sie zu neuem Leben erweckt. Wer könnte sich mehr darüber freuen als wir, die wir genau dieses Anliegen unserer Eltern und Großeltern verwirklicht sehen: der Wertschätzung menschlicher Handwerkskunst und des Weiterbestehens in der Zukunft.

Beste Grüße von Familie Konz

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